Das Grundsatzpapier

zum Selbstverständnis der Stotterer-Selbsthilfe

 

Stottern ist mehr als ein individuelles Symptom. Dank der Selbsthilfebewegung eroberten sich Stotternde einen sozialen Raum, der ihnen die Möglichkeit gibt, ohne Angst vor Sanktionen zu stottern.

 

Zweck dieses Grundsatzpapiers soll es sein, unser Selbstverständnis als Betroffene zum Ausdruck zu bringen und Material bereitzustellen, um gegenüber Öffentlichkeit, Therapeuten, Medien, Politik und Verwaltung sprechen zu können. Deshalb nimmt das Papier nicht nur Stellung zu unserer Herkunft und zu dem jetzt erreichten Stand der Stotterer-Selbsthilfebewegung, sondern will auch Perspektiven und Ziele aufzeigen, die noch nicht erreicht sind.

 

Unser Selbstverständnis hat sich im Laufe unserer Geschichte weiterentwickelt:

Zunächst wurde Stotterer-Selbsthilfe überwiegend als Therapienachsorge verstanden. Das immer wieder als unzureichend erfahrene Therapieangebot führte zu eigenen therapeutischen Initiativen der Stotterer-Selbsthilfe. Durch die Erfolglosigkeit vieler Therapien und den missionarischen Eifer, mit dem bestimmte Therapiemethoden als das Heilmittel schlechthin angepriesen wurden, entstand bei vielen Stotternden eine Abkehr von der Therapieorientiertheit bis hin zur Therapie-feindlichkeit. Damit wurde die Stotterer-Selbsthilfe Ausdruck emanzipatorischer Bestrebungen, die sich gegen Isolation und Bevormundung richten.

 

Heute versteht sich die Selbsthilfearbeit nicht nur als die Ergänzung oder als Abgrenzung zu Therapien, sondern vor allem als eigenständige Auseinandersetzung mit allen persönlichen und gesellschaftlichen Aspekten, die Stottern bedingen. Stotterer-Selbsthilfe hat sich als eigenverantwortliche Arbeit am Stottern neben professionellen Therapien und staatlicher Gesundheitsfürsorge durchgesetzt.

Eine parallele Entwicklung beobachteten wir auch bei anderen Selbsthilfe-Initiativen. Mit diesen verbindet uns der Anspruch, soziale und menschliche Probleme gemeinsam zu bewältigen, zur Emanzipation des Einzelnen beizutragen und humanere Formen des Übergangs miteinander zu leben.